Abb. 36.
Champagne Ardenne
Frankreich, 1210–1245
Bleiglasfenster
Prophetie vom Baum von Jesse
Jesaja 11, 1–2
Und es wird ein Zweig hervorgehen aus dem Sumpf Isais und ein Schössling hervorbrechen aus seinen Wurzeln. Und auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn,
der Geist der Weisheit, und des Verstandes, der Geist des Rats und der Kraft,
der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.
(Schlachter 2000)
Zusammen mit dem entsprechenden Bild ist die Prophetie allegorisch-
mykologisch klar von Jesaja erklärt. Ein Zweig, also Baum wächst aus der Erde.
Der Baum hat Wurzeln aus dem ein Schössling, der Pilz, hervorbricht. Das
Myzel und dessen Fruchtkörper treten hauptsächlich in Symbiose (Mykorrhiza)
mit Rhizomen, Wurzeln, Holz- oder Gras-Resten auf. Auf dem Schössling ruht der
Geist des Herrn, der Erkenntnis, also die Erfahrung der Wirkung des Pilzes.
Das Myzel von Psilocybinpilzen kann auch Sklerotien ausbilden, die wie der
Fruchtkörper, Halluzinogene enthalten. Sie werden daher auch „Magische
Trüffel“ genannt.
Der Pilz entspricht stilistisch dem Chartres-Bleiglasfensterpilz. Hier zeigt sich
wieder der starke Einfluss der Kathedralschule von Chartres, siehe Abb. 38. bis
47. Die Chartrespilze können sehr sicher bestimmt werden, siehe Vergleichspilze,
Abb. 41./44./46. Psilocybe cyanescens (Blauender Kahlkopf). Die Vergleichspilze sind im jungen Wachstumsstadium, daher die orangeockerne Hutfarbe. Der ausgereifte Hut ist rötlichbraun bis kastanienbraun wie in dieser Abbildung und im noch weiter fortgeschrittenen Wachstumsstadium
karamellfarben bis ockergelblich.
Schenkung Henry Vaughan
Victoria & Albert Museum
Museum Nr.: 6-1881, Room 9
Hintze Gallery case WS
Bildquelle: collections.vam.ac.uk